Erlernen des Umgangs mit einer Beinprothese
Nach einer Beinamputation hilft Dir eine Prothese, Deine Bewegungsfreiheit zu erhöhen und in den Alltag zurückzukehren. Aber... so hilfreich eine Prothese auch sein kann, die Anpassung der Prothese kann auch eine körperliche und auch emotionale Herausforderung sein. Wie lernt man, mit seinem „neuen“ Körperteil richtig umzugehen? Mit einer Prothese laufen zu lernen, bietet Dir eine große Freiheit und kann es Dir ermöglichen, in Deinen Alltag zurückzukehren. Wir geben Dir gerne einige Tipps und Übungen an die Hand, um diesen Prozess etwas zu erleichtern.
Deine Ausdauer, Koordination und Kraft sind nach der Amputation erheblich eingeschränkt. Wenn Du mit einer Beinprothese versorgt wirst, musst Du das Gehen wieder ganz neu lernen. Es ist verständlich, wenn Du davor vielleicht Angst hast. Gib Dir und Deinem Körper die Zeit, die Du brauchst! Diese Zeit ist jedoch gut investiert, denn so erarbeitest Du Dir Schritt für Schritt Deine Freiheit und Unabhängigkeit zurück.
1. Das Wichtigste: ein Schaft, der passt
Eine sichere, solide und bequeme Verbindung zwischen Deinem Stumpf und der Prothese ist elementar für eine gute Kontrolle über das Hilfsmittel. Hierfür ist es wichtig, dass der Schaft optimal an Deinen Stumpf angepasst wird und die einzelnen Prothesenpassteile auf Deine Bedürfnisse abgestimmt sind. Gleichzeitig sind die tägliche Pflege Deines Stumpfes sowie die Reinigung von Liner und Schaft von großer Bedeutung, um Hautreizungen zu vermeiden.
Dein Orthopädietechniker kann Dir bei der Anpassung der Prothese noch mehr Informationen und individuelle Tipps geben, die einen bestmöglichen Komfort gewährleisten.
2. Üben am Gehbarren
Beim Gehen wird das Körpergewicht von einem Bein auf das andere verlagert. Sobald die Prothese angepasst ist und Du Dich beim Tragen wohlfühlst, musst Du lernen, wie Du Dein Gewicht auf die Prothese verlagern kannst. Dies ist ein spannender Prozess. Zum Glück musst Du das nicht allein tun. Dein Physiotherapeut unterstützt Dich dabei und wird Dir ausführlich erklären, was Du beachten musst und welche Übungen dabei helfen können, damit Du langsam aber sicher Vertrauen zu Deiner Prothese bekommst.
Beim Üben beginnst Du in der Regel an einem Gehbarren, sodass Du beide Arme als Stütze verwenden kannst. Nach einer Weile wirst Du nur noch einen Arm benötigen und schließlich in der Lage sein, ohne jegliches Abstützen zu gehen.
3. Gangtraining
Spezielle Gangübungen helfen Dir Gleichgewicht und Koordination zu trainieren. Wie sieht das Gangtraining aus? Es kann sich um "einfache" Übungen wie Vorwärts-, Rückwärts- und Seitwärtsgehen handeln oder um Übungen, die Du im Sitzen oder Stehen machen kannst und bei denen Du lernst, verschiedene Untergründe und Hindernisse wie Schrägen, Treppen und Bordsteine zu bewältigen.
4. Selbstständiges Gehen mit einer Prothese
Wenn Du das Gehen im Alltag wieder aufnimmst, ist es wichtig, dass Du Dir Zeit lässt und Dich Schritt für Schritt allmählich an die neue Umgebung gewöhnst und Dich darin wohlfühlst. Zweifellos wirst Du auf zahlreiche Herausforderungen stoßen, wie Stufen, Schwellen und Steigungen. Dein Physiotherapeut wird Dich beraten, wie Du diese am besten bewältigen kannst.
5. Fortgeschrittene Übungen
Fühlst Du Dich sicher beim Gehen? Dann kannst Du Dich darauf konzentrieren, Deine Fähigkeiten mit den folgenden Übungen weiter auszubauen. Achte jedoch zunächst darauf, dass Du Dich notfalls an etwas festhalten kannst.
- Einen Ball aufprallen lassen: erst stehend, dann gehend
- Auf einem Bein balancieren
- Einen langen Stock auf der Hand balancieren
- Auf verschiedenen Untergründen laufen, z. B. auf Teppich, Bürgersteig und Gras
- In ein Auto ein- und aussteigen
- Tragen von Gegenständen beim Gehen
Üben, üben, üben
Das Wiedererlernen des Gehens mit einer Beinprothese erfordert sehr viel Übung, Zeit und Geduld. Wichtige Bausteine für den Erfolg sind Vertrauen in sich selbst und in das Hilfsmittel.
Die beiden folgenden grundlegenden Gehübungen kannst Du sicher zu Hause durchführen. Denk daran, welche Art von Prothese Du hast. Mit den meisten mikroprozessorgesteuerten Kniegelenken (MPK) sind diese Übungen kein Problem. Hast Du ein mechanisches Kniegelenk? Dann besteht eine erhöhte Sturzgefahr! Mach diese Übungen deshalb immer unter Aufsicht.
1. Kurz auf einem Bein balancieren
Mit dieser Übung stabilisierst Du Dein Gleichgewicht, kräftigst Dein gesundes Bein und erhöhst das Vertrauen in Deine Prothese. Stell Dich aufrecht neben einen erhöhten und stabilen Gegenstand, z. B. einen Tisch oder eine Kommode. So kannst Du Dich bei Bedarf mit den Händen abstützen.
Verlagere nun das Gewicht auf Dein Standbein und schiebe das Prothesenbein langsam zur Seite bis es den Boden nicht mehr berührt. Du stehst jetzt nur noch auf Deinem gesunden Bein. Versuche diese Position einige Sekunden zu halten, bevor Du in die Ausgangposition zurückkehrst.
Wiederhole die Übung, aber diesmal mit der anderen Seite, so dass Du am Ende nur noch auf Deiner Prothese stehst.
2. Seitliches Steppen
Bei dieser Übung nimmst Du die gleiche Grundstellung ein wie bei der ersten Übung. Nur dass Du Dich diesmal an der erhöhten Fläche festhältst. Auch hier schiebst Du Dein Prothesenbein leicht zur Seite, so dass Du nur noch auf dem gesunden Bein stehst. Senk nun das Prothesenbein direkt auf den Boden, so dass beide Beine etwas weiter auseinander stehen. Jetzt machst Du mit dem gesunden Bein einen Schritt in Richtung Prothesenbein. Fahr auf diese Weise mit Seitwärtsschritten fort und halte Dich dabei an der Kommode oder dem Tisch fest. Nach ein paar Schritten wechselst Du die Richtung, so dass Du zurück in die Ausgangsposition schreitest. Achte auch hier auf Deine Sicherheit und mach diese Übung nur mit einer Person in der Nähe.
Für jeden Menschen anders
Welche Übungen möglich und am besten geeignet sind, ist von Person zu Person, von Situation zu Situation und von Prothese zu Prothese unterschiedlich. Sprich daher immer zuerst mit Deinem Arzt oder Physiotherapeuten. Er oder sie kann Dich je nach Deiner persönlichen Situation beraten. Wichtig ist auch hier wieder, dass Du Dir die Zeit nimmst, die Du brauchst. Lass Dich nicht entmutigen, wenn nicht alles sofort klappt, wie es soll. Das ist völlig normal. Auch wirst Du anfangs einen Muskelkater haben. Schließlich muss sich Dein Körper erst an diese neue Art des Gehens gewöhnen. Beginn langsam und beobachte, wie Dein Körper reagiert. Strengst Du Dich zu sehr an? Verlangsame das Tempo ein wenig. Hast Du Schmerzen oder andere Beschwerden? Dann sprich unbedingt immer mit Deinem Arzt oder Therapeuten.