Wissenswertes über Phantomschmerzen und Stumpfschmerzen
Nach einer Amputation können verschiedene Schmerzarten auftreten. Dabei ist es wichtig zu unterscheiden, ob es sich um Stumpfschmerzen oder um Phantomschmerzen handelt, da es für diese Schmerzen viele verschiedene Therapieansätze gibt.
Phantomschmerzen sind allerdings häufig ein Tabuthema, über das viele Betroffene ungern sprechen, aus Angst, dass ihnen niemand glaubt. Dabei ist es wichtig, frühzeitig darüber zu reden, sodass schnell mit der Behandlung begonnen werden kann. Es gibt keinen Grund, sich für Phantomschmerzen zu schämen. Diese Schmerzen sind sehr real und Du bist damit nicht allein. In diesem Artikel erfährst Du mehr über Therapiemöglichkeiten und was Du selbst dagegen tun kannst.
Es gibt keine Standardtherapie, die allen Betroffenen gleichermaßen hilft, viele Therapien sind zudem langfristig und erfordern eine aktive Mitarbeit der Betroffenen sowie viel Geduld.
1. Was sind Phantomempfindungen und was sind Phantomschmerzen?
Nach einer Amputation erleben nicht weniger als 80% der Betroffenen Phantomempfindungen, Stumpfschmerzen und Phantomschmerzen. Aber wo ist der Unterschied?
Phantomempfindungen sind meist nicht schmerzhafte Wahrnehmungen einer amputierten Extremität, wie beispielsweise Wärme, Kitzeln oder das Gefühl, dass Finger oder Zehen verlängert oder verkürzt sind. Auch wird das fehlende Körperteil, als funktionsfähig empfunden.
Wie der Name sagt, werden Stumpfschmerzen in unterschiedlicher Intensität im Stumpf wahrgenommen, nicht in den benachbarten Körperregionen. Die Ursachen hierfür sind vielfältig, aber gut zu diagnostizieren.
Phantomschmerzen dagegen sind Nervenschmerzen in nicht vorhandenen Gliedmaßen. Sie können permanent oder in Schüben auftreten. Die tatsächliche Ursache von Phantomempfindungen und -schmerzen ist nicht bekannt. Eine mögliche Erklärung ist, dass sich die Nerven in unserem Nervensystem und im Gehirn „umorganisieren“. Man vermutet, dass der Teil im Gehirn, der vor der Amputation Nervenimpulse erhielt, nach dem Eingriff Impulse aus Nachbarregionen abfängt, wodurch die Empfindung ausgelöst wird. Diese Umorganisation im Gehirn ist besonders ausgeprägt, wenn im betroffenen Körperteil bereits vor der Amputation Schmerzen auftraten und eine Art zentrales Schmerzgedächtnis hinterlassen haben. Es ist auch möglich, dass das Gehirn den Kontakt zum Stumpf mit dem amputierten Körperteil wahrnimmt. Das kann ein sehr seltsames Gefühl sein, denn die Nerven sind wortwörtlich verwirrt. Zudem kann eine Verbindung bestehen zwischen Stumpf- und Phantomschmerzen. Schmerzhafte Bereiche des Stumpfes können aber auch Phantomschmerzen und -Empfindungen auslösen.
Wann genau Phantomschmerzen auftreten, ist von Person zu Person unterschiedlich. Einige Betroffene empfinden die Schmerzen schon einen Tag nach der Operation, andere erst Jahre später. Phantomschmerzen treten oft in Wellen auf. Es fühlt sich an wie ein Stechen, Schießen, Kitzeln, Brennen oder Kneifen. Die Dauer einer solchen Attacke kann sehr unterschiedlich sein, von einigen Sekunden bis hin zu einigen Tagen. Zudem können Stress oder eine depressive Stimmung die Wahrnehmung von Phantomschmerz verstärken. Bei den meisten Menschen sinkt das Ausmaß und die Dauer der Schmerzattacken nach den ersten sechs Monaten nach der Amputation. Allerdings empfinden auch viele über mehrere Jahre hinweg einen gewissen Grad an Phantomschmerzen.
2. Wie werden Phantomschmerzen behandelt?
Schmerzen treten normalerweise als Reaktion auf Wunden und Verletzung eines Körperteils auf und werden entsprechend medizinisch und medikamentös behandelt.
Da bei Phantomschmerzen keine tatsächliche Verletzung vorliegt, ist diese Art von Schmerzen sehr schwer zu behandeln. Leider gibt es kein Standardverfahren, welches allen Betroffenen helfen kann.
Manchmal kann es schon reichen, einfach ein Kissen an der Stelle zu platzieren, an der sich das amputierte Körperteil ursprünglich befand. Jedoch ist die Suche nach den Ursachen von Phantomschmerzen sowie passenden und erfolgreichen Therapiemethoden meist langwierig. Häufig empfiehlt sich auch, mehrere Therapien miteinander zu kombinieren.
Es gibt keinen Grund sich für Phantomschmerzen zu schämen. Diese Schmerzen sind sehr real und Du bist damit nicht allein. Sprich offen und frühzeitig mit Deinem Arzt, Therapeuten oder Orthopädietechniker über Deine Beschwerden – sie werden gemeinsam mit Dir nach individuellen Lösungen suchen, Dich beraten und anleiten.
3. Was Du persönlich gegen Phantomschmerzen machen kannst.
Wie oben erwähnt, sind Phantomschmerzen nicht einfach zu behandeln. Allerdings gibt es einige Möglichkeiten, die Du ausprobieren kannst, um Deine Symptome zu verringern:
- Halte Ausschau nach möglichen Auslösern oder Risikofaktoren. Auslöser können unter Umständen bestimmte Tätigkeiten und Alltagsituationen, persönliche Veranlagung oder eine ungesunde Lebensweise sein: zum Beispiel Berührungen, Sex, der Gang auf die Toilette, Temperatur- und Luftdruckunterschiede oder Rauchen. Führe ein Tagebuch und beantworte folgende Fragen:
- Zu welcher Tageszeit habe ich die Schmerzen?
- Wird der Schmerz besser, wenn ich mich bewege? Wenn ja, bei welchen Bewegungen?
- Fühle ich auch in anderen Teilen meines Körpers Schmerzen?
- Ist der Schmerz stärker an kalten oder regnerischen Tagen?
- Ist der Schmerz stärker, wenn ich gestresst bin?
- Nach einiger Zeit wirst Du lernen, welche Umstände die Schmerzen begünstigen.Besprich die Ergebnisse mit Deinem Arzt oder Therapeuten. Zusammen könnt Ihr den besten Weg für Dich finden, mit den Beschwerden umzugehen und die richtige Therapie finden.
- Eine bewährte und viel genutzte Therapie, die Du nach Anleitung durch einen erfahrenen Therapeuten auch zu Hause durchführen kannst, ist die Spiegeltherapie. Durch die Simulation von zwei intakten Gliedmaßen mittels Spiegelbild werden die Nerven ausgetrickst, die mit dem amputierten Körperteil verbunden waren. Durch das Sehen des fehlenden Körperteils, wird das Gehirn überlistet und die Nerven im Stumpf aktiviert, wodurch die Schmerzen gelindert werden. Informiere Dich im Internet über diese Therapieform und sprich mit Deinem Arzt oder Therapeuten.
- Versuch Dir vorzustellen, Dein amputiertes Körperteil zu bewegen. Das klingt seltsam und mag Dir verrückt vorkommen, da dies nicht mehr vorhanden ist, aber diese Übung kann funktionieren und Deine Nerven stimulieren. Führe diese Übung mit geschlossenen Augen durch, sodass keine widersprüchlichen Reize an das Gehirn gesendet werden. Die Wirkweise ist ähnlich wie die der Spiegeltherapie: Durch die Stimulation der ungenutzten Nerven kann das unangenehme Schmerzempfinden reduziert werden.
4 mögliche Ursachen für Stumpfschmerzen
In Folge des Eingriffs wirst Du vor allem in den ersten Wochen nach der Operation Wundschmerzen haben. Klingen diese jedoch im Laufe der Wundheilung und während der Rehabilitation nicht spürbar ab, spricht man von Stumpfschmerzen. Diese treten in unterschiedlicher Intensität auf, werden als stechend, pochend oder schneidend beschrieben und können verschiedene Ursachen haben.
1. Stumpfschmerzen aufgrund einer Vorerkrankung
Vorerkrankungen wie Diabetes oder Durchblutungsstörungen erhöhen das Risiko von Hautproblemen, Infektionen oder Nervenschäden, was Stumpfschmerzen auslösen oder verstärken kann. Sind Deine Beschwerden ursächlich auf eine Vorerkrankung zurückzuführen, ist es wichtig, diese unter ärztlicher Kontrolle, so gut wie möglich zu behandeln. Überwache beispielsweise Deinen Blutzucker regelmäßig und befolge die Anweisungen Deines Arztes bezüglich Ernährung, Bewegung und Medikamenten.
2. Operationsbedingte Stumpfschmerzen
Es ist normal, das unmittelbar nach der Operation akute Wundschmerzen auftreten, die jedoch während des Heilungsprozesses nach einiger Zeit abklingen sollten. Manchmal treten aber auch danach weiterhin lokal oder diffus Schmerzen im Stumpf auf, die oft als dumpf, stechend oder brennend wahrgenommen werden. Ursachen hierfür können nicht genügend abgerundete Knochenkanten, eine schlechte Weichteildeckung oder Verwachsungen von Haut und Knochen sein. Dies hat Einfluss auf die Form und Beschaffenheit des Stumpfes und erschwert die prothetische Versorgung. Hier ist in einigen Fällen eine erneute Operation erforderlich, um den Stumpf zu korrigieren und so die Schmerzen zu verringern.
3. Stumpfschmerzen aufgrund eines Neuroms
Ein Neurom kann an geschädigten oder durchtrennten Nerven auftreten und ist eine knotenartige Verdickung am Nervenende. Bei recht oberflächlicher Lage sind Neurome an den Extremitäten gut zu tasten. An diesen Stellen reagiert Dein Stumpf sehr empfindlich auf Berührung, was beim Tragen der Prothese oft zu Scherzen führt. Zur Behandlung kommen neben Medikamenten beispielsweise Massagen, Akupunktur und transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) zum Einsatz. Auch Anpassungen am Schaft der Prothese können für Linderung sorgen und eine mögliche Lösung sein. Eine Operation ist leider nur in bestimmten Fällen sinnvoll, da sich danach fast immer ein neues Neurom bildet.
4. Stumpfschmerzen durch übermäßige Knochenbildung
Im Laufe des Heilungsprozesses kann sich am Ende des Stumpfes neues überschüssiges Knochengewebe bilden, was Probleme und Druckstellen beim Tragen der Prothese verursacht. Schmerzhafte Schwellung, Entzündungen und Bewegungseinschränkung sind häufig die Folge. Diese Verknöcherung – auch heterotope Ossifikation genannt – tritt bei Kindern häufiger auf als bei Erwachsenen. Eine mögliche Lösung ist die entsprechende Anpassung des Prothesenschafts. Wenn dies zu keiner Besserung führt, kann eine Operation Abhilfe schaffen. Bei Kindern ist ein solcher Eingriff jedoch nur dann sinnvoll, wenn das Wachstum des Knochens abgeschlossen ist.